Es war ein kalter, verregneter Tag gewesen. Tyldron war endlich mit diesem lahmenden Greif in Gilneas angekommen und hatte ihn sofort fortgejagt, kaum dass er wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Eher würde er zurück schwimmen, als sich nochmal auf den Rücken dieses Viehs zu setzen. Wenigstens hatte es mittlerweile aufgehört zu regnen.
Er sah sich um und stapfte durch die Straßen Sturmsiels. Leer war es, die Steine immer noch nass. Die Häuser waren eingefallen, die Holzbalken vermodert und die Mauern kaputt. Angewidert schüttelte er den Kopf. Unter anderen Umständen hätte er sicher einen weiten Bogen um dieses Land gemacht. Es roch nach abgestandenem Wasser und Tod. Tyldron kannte diesen Geruch nur zu gut.
In der Ferne konnte er eine Person ausmachen. Auf die Entfernung konnte er nicht sagen, ob er sie kannte, doch vielleicht war es einer der Forscher, die nach diesem Eolarios suchen wollten. Tyldron atmete tief durch, schob den Hut etwas zurück und setzte ein gezwungenes, aber doch so freundlich wirkendes Lächeln auf. Er trat näher. Die Gestalt entpuppte sich als ein Mann. An eine der verfallenen Mauern lehnend betrachtete Tyldron ihn eine Weile und begann ein Gespräch. Er war tatsächlich einer der Forscher. Als er nähergekommen war, hatte Tyldron ihn erkannt. Nicht an seinem Gesicht, sondern an einem Gefühl. Er hatte auch seine Tür im Gildenhaus berührt. Nissyen Tarsson. Tyldron erinnerte sich an den Namen, aber er war ihm egal.
Es dauerte nicht lange, bis weitere Personen eintrafen. Jeden kannte er mit Namen und es interessierte ihn nicht. Doch auch Lillie traf irgendwann ein. Ein kurzes Grinsen stahl sich auf sein Gesicht, als er sie sah. Die Robe, die sie trug, war zwar recht hübsch, doch verhüllte sie für seinen Geschmack viel zu viel. Doch es blieb nicht viel Zeit zum Nachdenken. Immer mehr dieser Forscher trafen ein. Zufrieden nickte Tyldron zu sich und stieß sich von der Mauer ab. Er drängte zur Eile, auch wenn er nicht genau wußte, wohin sie gehen müßten. Nur sein Gefühl hatte er, um sich leiten zu lassen.
Nach einigen Begrüßungen ging es dann auch endlich los. Es interessierte Tyldron nicht, worüber sie sprachen oder ob sie ihm glaubten. Nicht wenige verkündeten auch laut eben dieses Mißtrauen. Es war ihm egal. Wichtig war ihm nur, dass sie die Quelle dieser Magie fanden. Er wußte nicht viel über Gilneas, nur das Gröbste. Ein paar Untote hatten es verwüstet und irgendwie waren Worgen eingefallen. Wenn es immer noch gefährlich hier war, könnte ihm die Gruppe sicher gute Dienste leisten. Selbst wenn er sie nur als Kanonenfutter verheizen würde. Seine Stiefel schmatzten leise, als sie von den zerfurchten Steinen Sturmsiels auf den matschigen Boden gesetzt wurden. Tyldron erhöhte sein Tempo etwas, die Anderen würden schon Schritt halten. Es langweilte ihn, so reisen zu müssen.
Sie marschierten durch Witterfront, vorbei an Gilneas Stadt und in die Wälder. Ein einfacher Pfad war es nur noch, dem Tyldron folgte. Immer dem Schatten nach, den er gesehen hatte. Er wußte, wo er ihn finden würde, doch er merkte, wie die Gruppe begann, sich zu langweilen. Sie begannen herumzualbern und sich zu verteilen. Irgendwas mußte er ihnen bieten. Dann erinnerte er sich, während sie den Pfad weiter entlang gingen. In der Nähe war ein Fluß.
Tyldron hatte ihn gesehen, als er in Eolarios' Zimmer gewesen war. Er hatte sich umgesehen. Doch nicht die Sachen, die er dort aufbewahrte. Nein, in seinen Erinnerungen. Er hatte genau gesehen, welchen Weg sie genommen hatten. Er und der Worgen. Der Junge. Sie hatten an einem Haus gekämpft und drei Untote besiegt. Dorthin würde Tyldron die Gruppe bringen. Sie würden sich auf die Spuren stürzen wie Geier auf Aas. Ein kurzes Grinsen huschte über sein Gesicht bei dem Vergleich.
Als der Weg sich teilte, hielt er an und wies die Gruppe an, einen Weg über den Fluß zu suchen. Wieder wurden mißtrauische Äußerungen laut, doch Tyldron ignorierte sie. Irgendjemand fand letztendlich dieselbe Stelle, an der auch die beiden Worgen den Fluß überquert hatten. Zufrieden folgte Tyldron und führte sie zu dem Haus.
Es war alt und verfallen, genauso heruntergekommen wie die in Sturmsiel. Angewidert hielt Tyldron sich zurück. Die Spuren sprachen ohnehin für sich. Wie erwartet dauerte es nicht lange, bis alles akribisch untersucht wurde. Im Schein einer Laterne lagen die verbrannten Überreste dreier Untoter, einem fehlte sogar der Schädel. Auf dem Boden fanden sich nicht viele Kampfspuren. Lange hatte es wohl nicht gedauert. Selbst in einem alten Wagen wurde nachgesehen. Ein paar alte Tropfen Blut fanden sich im Inneren des Hauses, doch interessanter waren die zwei Worgenspuren, die vom Haus weg tiefer in den Wald führten.